Das Grunddilemma von Führungskräften,
oder: Wer oder was macht Druck auf den “Boss” und wie kann Coaching diesen Druck erträglich machen?
Es gibt nur wenige unumstrittene Überzeugungen in der zeitgenössischen Psychologie. Eine ist ganz gewiss diese: Es sind drei psychische Grundbedürfnisse, die befriedigt sein müssen, damit sich der Mensch als Wesen, sozusagen als Menschenwesen, wohlfühlt und zufrieden ist, nämlich 1. Bindungen, die erstrebt werden, 2. Autonomie, die gesucht wird und 3. Selbstwert, der gefühlt werden muss.
Das Feld der Bindungen wird auf der einen Seite begrenzt von der Nähe, auf der anderen von der Distanz. Im Feld der Autonomie stehen sich hier der Pol der Freiheit und dort der Pol der Sicherheit gegenüber.Und auf dem Feld des Selbstwertes schließlich finden die Eckpfeiler Einzigartigkeit und Zugehörigkeit zueinander. Diese sechs “Aggregatzustände” sollten optimal austariert sein, um so etwas wie seelische Aussgeglichenheit und damit Zufriedenheit zu erleben.
Diese Zusammenhänge hatte ich u.a. im Sinn, als ich kürzlich meine Web-Site www.leader-coaching.com überarbeitet und dort die Formulierung gewählt habe, dass es mir im Coaching von Führungskräften weniger um das Einüben von Kommunikationsstechniken geht, als vielmehr darum, Hilfestellung und Anstoß für das Organisieren und Strukturieren von Beziehungen zu geben. Für den gleichen Gedanken wähle ich etwas später die Worte: Nachhaltigkeit im Coaching gibt es nur durch Konzentration auf Beziehungsarbeit!
Das Grunddilemma einer Führungskraft erschließt sich nun, wenn man der Frage nachgeht, wer oder was das Erreichen der “sechs Richtigen” behindert. Oder anders ausgedrückt: Mit wem oder was ist die Führungskraft im Feld ihrer Tätigkeiten und Rolle regelmäßig konfrontiert? Natürlich, es liegt auf der Hand: einerseits mit sich selbst als Person sowie als Rollenträger und andererseits mit den Mitarbeitern als Menschen und als Träger ihrer Unterstelltenrolle. Eine weitere Konfrontation ist die mit gleichgestellten Führungskräften und auch jene mit Vorgesetzten, die aber für die weiteren Betrachtungen hier vernachlässigt werden können. Da es auch immer um das Gesamtunternehmen, die Organisation, geht, ist als vierte Komponente im Übrigen durchgehend das Organisations-Über-Ich präsent und macht der Führungskraft im Einzelfall zu schaffen.
Mit diesem Ausgangspunkt kann einleitend für die weiteren Überlegungen festgestellt werden: Eine Führungskraft ist ein Mensch, dessen Bedürfnis und Streben nach Nähe, nach Distanz, nach Freiheit, nach Sicherheit, nach Einzigartigkeit und nach Zugehörigkeit behindert wird durch sowohl eigene Prädispositionen wie auch durch psychodynamische “Verfasstheiten” anderer “Mitspieler” auf dem Feld der Führung, der Leitung und des Managens.
Schauen wir uns die Bereiche im Einzelnen an.
In ihrem quasi natürlichem Streben nach Bindung braucht die Führungskraft zunächst Nähe in ihrer beruflichen Rolle, weil sie das Gefühl haben muss, dass es da Menschen gibt, die einem zuhören, die einen verstehen und nicht immer gleich mit Bewertungen bei der Hand sind, denen man vertrauen kann, die auch mal mit Aufmunterung und Trost aufwarten, die vielleicht auch mal sehen, dass es einem schlecht geht und Anteil nehmen.
In diesem Streben nach Nähe steht sich die Führungskraft möglicherweise zunächst selbst im Wege, jedenfalls dann, wenn es sich bei ihr um jemanden handelt, der meint, dass er auf die “Zuneigung” anderer Menschen nicht angewiesen ist und als “Einzelkämpfer” besser zurecht kommt. Wenn diese “Charakterstruktur” besonders stark ausgeprägt ist, lohnt es in der Regel nicht die Mühe, mit Unterstützung von Coaching Änderungen in Gang zu setzen; hier ist dann eher Psychotherapie angesagt, wenn denn dazu eine Bereitschaft bei der Führungskraft vorhanden ist. Für normal ausgeprägte “Störungen” dieser Art kann aber auch Coaching das Mittel der Wahl sein. Hier geht es dann darum, Beziehungsarbeit zu leisten, nämlich jene Beziehung zu sich selbst in den Focus zu nehmen.
Auf der anderen Seite: Führungskräfte haben i.d.R. kein eigenes Team von Mitarbeitern, aus dem heraus Rückmeldungen, wie oben beschrieben, erfolgen könnten. Das ist der Begründungszusammenhang für die vielzitierte “Einsamkeit der Macht”, die, wenn sie sich dauerhaft verfestigt, zermürbt und nicht selten im burn-out endet. Bis es aber so weit kommt, können andere Phänomene das Feld bestimmen: Der unerfüllte Wunsch nach Nähe und Vertrauen wird auf die privaten Beziehungen übertragen und führt in der übersteigerten Form dort meistens zu Überlastungen der jeweiligen Partner und mithin zu entsprechenden Konfliktlagen. Und/oder: Das, was dauerhaft vermisst wird, kann auch nicht aktiv an andere gegeben werden, will heißen, man wird unnahbar, oft auch unausstehlich, und kann wenig Verständnis für die Nöte der Mitarbeiter aufbringen. Und/oder: Es entseht schnell eine Kultur des Mißtrauens innerhalb des Mitarbeiterteams sowie zwischen Mitarbeitern und Führungskraft; Spaltung entsteht. Spaltung aber ist die Mutter von Schlechtleistung des gesamten Teams.
Aufgabe des Coaches ist es, Führungkräften Unterstützung dabei zu geben, den lebenswichtigen Stellenwert des Bedürfnisses nach Nähe zu entdecken und dann auch zu pflegen. Oft wirkt im Coaching allein die Frage bahnbrechend: `Wer hört Ihnen eigentlich regelmäßig zu, wenn Sie mit Ihren Leuten reden?`…Beziehungsarbeit ist angesagt!
Betrachten wir den anderen Pol der Bindung, die Distanz. Der Wunsch danach ist strukturell behindert durch den Verlust von Intimssphäre, der der Führungskraft per Definition innewohnt. Die Führungskraft ist eine Person der Öffentlichkeit, um nicht zu sagen eine veröffentlichte Person. Sie steht unter ständiger Beobachtung, mehr noch: Sie ist oftmals auch Identifikationsobjekt Vorbild, Hero. Das Verhalten in der Betriebsöffentlichkeit, manchmal auch außerhalb dieser, ist regelmäßiger Gesprächsstoff und regt die Phantasie und Mutmaßungen an.
Daraus resultierende Wirkungen auf die Führungskräfte können sein: bewußte Abgrenzungen nach dem Motto: `Wie es in mir aussieht, geht keinen etwas an.`Damit boykottiere ich gleichzeitig aber mein Bedürfnis nach Nähe – s.o.. Oder es werden Scheinpersönlichkeiten und Scheinwirklichkeiten aufgebaut, die den vermuteten Bildern Rechnung tragen. Eine weitere Wirkung könnte sein, dass die Führungskraft sich veranlasst fühlt, aus der Not eine Tugend zu machen und die eigene “Aufgeklärtheit” zur Schau stellt, indem verkündet wird: `´ Meine Tür steht immer für Sie offen. Ich bin immer für Sie da!´Das aber hat chronische Überlastung zur Folge, ständige Arbeitsunterbrechungen bestimmen den Alltag; Probleme und Konflikte werden rückdelegiert; es steht kaum mehr Zeit für sich selbst zur Verfügung.
Aufgabe des Coaches ist es, Führungskräften Unterstützung dabei zu geben, Mittel und Möglichkeiten zu finden, die helfen, den Wunsch nach Distanz zu erfüllen. Lernen, wie wichtig es ist, sich bewußt die Erlaubnis zu geben, Rückzugsräume zu schaffen, sollte dabei der Hauptfocus sein…. Beziehungsarbeit ist angesagt!
Wir kennen das Pärchen “Nähe und Distanz” aus unserem Privtleben ganz gut. Jeder weiss, und hat es i.d.R. auch schon einmal ganz praktisch gespürt, dass es z.B. in einer Liebesbeziehung und/oder Partnerschaft, egal ob mit oder ohne Trauschein, entscheidend darauf ankommt, immer die richtige Dosis von Nähe und Distanz zu finden. Das Aneinanderkleben, also ganz enge Nähe, wird die Beziehung auf Dauer erdrücken. Zuviel Distanz führt zu Entfremdung und läßt die Beziehung einschlafen. Etwas theoretischer formuliert: Ein Übergewicht des einen Pols führt i.d.R. genauso zu nachhaltigen Störungen, wie ein Übergewicht des anderen Pols. Es muss nicht unbedingt in mit Leid verbundenen Neurosen enden, aber dennoch: Ein regelmäßiges Austarieren und Justieren von Nähe und Distanz ist eine wesentliche Voraussetzung für Gesundheit und Lebensfreude. Coaching kann mit Blick auf den Job als Führungskraft helfen, das Austarieren und Justieren zu lernen und damit wirkungsvollere Voraussetzungen für qualifizierte Führungsarbeit zu schaffen.
Betreten wir das Feld der Autonomie und nehmen ort die beiden Pole Freiheit und Sicherheit in den Blick.
Wer oder was hindert die Führungskraft daran, nach Freiheit zu streben ohne die Sicherheit au den Augen zu verlieren?
Zunächst zur Freiheit: Freiheit im hier gemeinten Sinne bezieht sich in erster Linie auf die weitreichenden Möglichkeiten der Gestaltung und Einflussnahme sowohl auf Inhalte wie auf Strukturen und Form der zu bewältigenden Arbeiten. Man sollte meinen, dass Führungskräften hier keine Grenzen gesetzt sind, wenn sie ihrem Wunsch nach Freiheit Ausdruck verleihen. Gefehlt! An dieser Stelle tritt i.d.R. sehr wirkungsvoll das o.g. “Organisations-Über-Ich” in Erscheinung, dem sehr daran gelegen ist, dass es differenzierte Binnenstrukturen im Unternehmen gibt. Die strukturelle Vorgabe auf die Mitarbeiter bezogen lautet: Unterschiede in Kompetenzen und Funktionen müssen klar erkennbar bleiben. Zuständigkeiten sollen klar definiert sein, um u.a. Reibungsverluste im kommunikativen Gesamtprozess des Unternehmens zu vermeiden. Läßt sich die Führungskraft unkritisch auf dieses Setting ein, hat sie schnell ein Problem mit ihrem Team. Die Bedürfnisse der Mitarbeiter sind in diesem Zusammenhang ohnehin konträr ausgerichtet. Für sie ist es emotional weit wichtiger, Unterschiede zu nivellieren, anstatt sie zu betonen. Das Team als Ganzes strebt nach Autonomie und Selbstbestimmung der Arbeitsprozesse und -abläufe, und formuliert gewöhnlich den Anspruch, Ziele und Erfolgskriterien selbst zu bestimmen. Dies trifft aber mehr oder weniger regelmäßig auf die grundsätzlich anderen übergreifenden Unternehmensziele nach eigener Steuerungsmöglichkeit. Dieser Widerspruch setzt also weitere Grenzen im Streben der Führungskraft nach Freiheit. Daraus resultiert ein strukturelles “Zwischen-den-Stühlen-Sitzen” der Führungskraft. Denn diese ist einerseits Repräsentantin des Teams in der Organisation, und andererseits Repräsentantin der Organisation und damit “Gegenspieler” des Teams. Es beiden gleich Recht zu machen funktioniert in der Führungsrolle ebenso wenig wie normalerweise im richtigen Leben als Privatperson. Zangsläufig entsteht “Stress” (=Druck von oben und unten). Da ist es mit der Freiheit, freie Entscheidungen zu treffen, nicht weit her.
<strong>Aufgabe des Coaches ist es, Führungskräften Unterstützung dabei zu geben, diese strukturellen Gegebenheiten zu erkennen und das Streben nach Freiheit dadurch zu stützen, dass die je vorhandenen persönlichen Ressourcen für das Entwickeln von Klarheit der eigenen Position, von Standfestigkeit und Beharrlihkeit, von Konflikt- und Teamfähigkeit entdeckt, gefördert und weiterentwickelt werden. Anders formuliert: Die Vermittlung von Lust auf und Freude am Konflikt, gepaart mit der Stärkung der Einsicht, dass man nicht immer alles richtig machen muss, sollte im Hinblick auf den Erhalt der Freiheit im Mittelpunkt stehen…. Beziehungsarbeit ist angesagt! , wohlwissend, dass diese Kategorie auch heute noch für viele Führungskräfte im Zusammenhang mit ihrer täglichen Arbeit und ihrem täglichen Führunghandeln “nebulös”, “Fehl am Platze”, “Angst erregend”, mindestens aber “unangebracht” erscheint; sie weckt möglicherweise Phantasien, die in der Vorstellung von “unkontrolliertem Chaos” gipfeln. “Gefühl und Geschäft” passen auf diesem Erlebenshintergrund nicht zusammen.
Wie verhält es sich nun mit der Sicherheit?
Im Rahmen von Entscheidungsfindungen kann das Grundbedürfnis nach Sicherheit am anschaulichsten nachvollzogen werden. Welche Führungskraft hätte nicht gern eine noch größere und breitere Sicherheit beim Treffen von Entscheidungen, zumal von solchen, die in der Wirkung über den Tag hinausgehen? Führungskräfte können beim Entscheiden i.d.R. nicht immer wissen, ob sie richtig liegen oder falsch. Eine latente Unsicherheit legt sich, wenn auch vom Umfeld nicht immer gesehen, über das Führunghandeln. “The organisation is watching you!” Für die betroffene Führungskraft ist Dauerspannung die Folge. Nicht jede Führungskraft hält dies über einen längeren Zeitraum unbeschadet aus.
Es sind also im Wesentlichen auch hier die “Über-Ich-Phänomene”, so wie bereits bei der Freiheit in Erscheinung getreten, die die Führungskraft bin ihrem Bedürfnis nach Sicherheit behindert. Gleichzeitig gibt es so etwas wie eine Kultur des Schweigens über die eigenen Schwächen und Fehlleistungen; man spricht nicht gern darüber. Als Kompensationsstrategien stehen im Vordergrund: Das Aussitzen von Entscheidungen, das Sündenbocksuchen für Fehlentscheidungen, das “Alles-Selber-Machen-und-Kontrollieren” , das Verhindern von Neuem, weil man im Alten und Bekannten i.d.R. größere Sicherheit hat, die man im Neuen erst noch entwickeln müsste.
Aufgabe des Coaches ist es, Führungskräften Unterstützung dabei zu geben, das Ideal des Immer-richtig-machen-Müssens aufzugeben und stattdessen eine Kultur der Unsicherheit zu entwickeln. Das würde idealerweise langfristig auch ein Organisationslernen in Gang setzen, das wiederum Veränderungen in der Über-Ich-Struktur zur Folge haben könnte. Einhergehen sollte dies ebenso mit dem Lernen und Unterstützen von prognostischen Fähigkeiten, die als alternative, gleichsam aber wesentliche Grundlagen der Entscheidungsfindung dienen können. Dieser Prozess ist nicht einfach, weil gerade in diesem Bereich festsitzende, um nicht zu sagen ´eingefleischte` Einstellungen und Verhaltensweisen anzutreffen sind…. Beziehungsarbeit ist angesagt!
Betrachten wir das Feld des Selbstwertes und damit die Polaritäten der Einzigartigkeit und der Zugehörigkeit. Erstere, die Einzigartigkeit, scheint in der Rolle der Führungskraft den idealen Nährboden zu haben. Hebt sich die Führungskraft doch allein schon durch die Definition als einzigartig gegenüber anderen Teammitgliedern ab. Also, wo ist das Problem? Wo steckt das Dilemma? Wer behindert die Führungskraft in ihrem Streben nach Einzigartigkeit?
Es sind – natürlich – im Wesentlichen die Mitarbeiter. Die für das geneigte Fachpublikum bekannte Binsenweisheit, dass Mitarbeiter ihre Führungskraft mit verinnerlichten Bildern ihrer früheren Autoritätspersonen verwechseln können und möglicherweise ungelöste Konflikte mit ihnen austragen, kommt hier voll zum Tragen. Führungskräfte neigen in diesem Kontext häufig dazu, mehr an Mitarbeiterverhalten auf sich zu beziehen, als ihnen gut tut und angemessen ist. Dabei ist auch die Verwechselungsgefahr besonders groß: Mitarbeiterverhalten, das aus dem autoritativen Verhältnis zur vorgesetzten Führungskraft resultiert, wird von den Führungskräften selbst auf Sach- und Inhaltsfragen bezogen. Damit sind Konflikte vorprogrammiert, die regelmäßig auch eskalieren und von den Beteiligten als unlösbar erlebt werden. Das führt zu chronischem Stress für die Führungskraft.
Aufgabe des Coaches ist es, Führungskräften Unterstützung dabei zu geben, diese hier beschriebenen Zusammenhänge wirksamer durchschauen zu können. Darüber hinaus wird an der eigenen Konfliktfähigkeit gearbeitet werden müssen. Das setzt Bereitschaft zu Selbsterfahrung voraus…. Beziehungsarbeit ist angesagt!
Hinsichtlich der Zugehörigkeit können wir von folgendem Wirkmechanismus ausgehen: Dem Wunsch der Führungskraft danach stehen i.d.R. einerseits manifeste Idealisierungen der Mitarbeiter im Wege, andererseits gibt es auf Seiten der Mitarbeiter unterschwellige, aber dauerhaft präsente Neigungen, “den Alten vom Sockel zu holen”.
Was steckt hinter diesen Idealisierungen? Bei dem Durchschnittsmitarbeiter im Team sorgt es für gehobenen Selbstwert, wenn er in der Vorstellung leben kann, dass “mein Chef” ein besonders starker, erfolgreicher, mitreißender, gerechter usw. Chef ist. Er, der Mitarbeiter, kann sich im Glanze seines Chefs sonnen.
Eine halbwegs aufgeklärte Führungskraft durchschaut diesen Zusammenhang schnell und leicht und gleichzeitig wissend, besser nichts daran zu ändern. Denn täte sie das, wäre die Sonne, in der sich der Mitarbeiter sonnen kann, abhanden gekommen. Die existenziell notwendige Kommunikation zwischen Führungskraft und Team wäre nicht nur gestört, sondern irreversibel vergiftet. Der Preis, den die Führungskraft für dieses “Stillhalten” zahlen muss, ist allerdings, ein Stück weit Abschied zu nehmen, sich zugehörig fühlen zu wollen. Warum? Weil jeder Impuls, sich als Gleicher-unter-Gleichen zu generieren, eine Bedrohung für die Idealisierungen darstellt und damit dem Team die Möglichkeit erschwert, sich mit diesem Chef als etwas Besonderes zu fühlen.
Zugehörig zu dieser Dynamik ist auf der anderen Seite auch das regelmäßig anzutreffende Phänomen, dass Mitarbeiter mehr oder weniger unbewußt darauf lauern, dass eine Situation eintritt, die sie feststellen lassen kann: “Wir haben es ja immer schon gewußt…der Alte ist ein Pfeife”. Dahinter steckt die verborgene Sehnsucht zu erleben, dass “der Andere” auch nicht besser ist, als man selbst.
All das hat Wirkungen auf das Innenleben einer Führungskraft. Die daraus resultierende, am häufigsten anzutreffende Folge besteht in chronischen Versagensängsten, die das Leben als Mensch und Führungskraft erschweren. Dagegen wird das anstrengende Bemühen gesetzt, keine Schwächen zu zeigen und sich nichts anmerken zu lassen. Aktives Verschleiern ist die Parole.
Aufgabe des Coaches ist es, Führungskräften Unterstützung dabei zu geben, zu verstehen, dass nicht sie selbst, sondern systemimmanente Strukturen dafür verantwortlich sind, dass Teambildung unter dem Aspekt von Zugehörigkeit seine Grenzen hat und oftmals, je nach handelnden Personen, eine Illusion ist. Auch eine teamorientierte Führungskraft gehört als gleicher nie so ganz dazu, zum Team…. Beziehungsarbeit ist angesagt!
Soweit zu den einzelnen Wohlfühlbereichen.
Wichtigster Aspekt in der Zusammenfasung hinsichtlich der Wichtigkeit und Dringlichkeit von Führungskräfte-Coachings ist die – gar nicht so neue – Erkenntnis, dass die Grundstrukturen in der real existierenden Wirtschafts- und Dienstleistungsgesellschaft psychodynamisch geprägt sind. Insoweit sind an der Psychodynamik von Führungshandeln orientierte Coachings mit Führungskräften um so wichtiger. Das erste, aber längst nicht letzte, was Führungskräfte dabei lernen und erfahren können, ist, dass es im zwischenmenschlichen Geschehen , um das es sich letztlich auch im alltäglichen Betriebsablauf des Unternehmens handelt, keine absolut eindeutigen Ursache-Wirkungs-Ketten gibt, die ein quasi technisches oder gar technokratisches Abarbeiten erlauben.
Beziehungsarbeit ist angesagt!
Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass ein Großteil meiner hier dokumentierten Gedanken nicht so originär sind, wie ich es mir im Geheimsten wünschte. Ohne die zahlreichen Veröffentlichungen z.B. von Wolfgang Loos zum Thema “Coaching für Manager” hätte ich in den letzten Jahren nicht so selbstsicher und prägend als Coach in Aktion auftreten können. Neben vielen anderen Fachpublikationen hat mir für diesen Aufsatz ebeno eine vor mehr als zehn Jahren von K. Eidenschink in der “Gestalttherapie”, Heft 2 / 2002 erschienene Veröffentlichung mit dem Titel “Führen ist Stress. Zur Psychologie des Führens” wichtige Impulse gegeben.